"Kompass", Beilage der Wilhelmshavener Zeitung, Ausgabe 09/2014

Text: Alexander Langkals M. A.

 

Wenn auch der Titel der Septemberausstellung in der Sezession Nordwest, Seitenblicke - Augenblicke, auf die Kunstwerke, Absichten und Inhalte der Künstlerin Petra Steinke zielt, so kann er ebenso das Zustandekommen der Ausstellung selbst charakterisieren: Eine Ausstellung der Wilhelmshavenerin Renate Ai in Stade führte die beiden zusammen. Dort lebt und arbeitet Petra Steinke und ist als Autodidaktin auf verschiedenen künstlerischen und kreativen Gebieten tätig. Sie sammelt, bearbeitet und bemalt Fundstücke und fügt sie zu komplexeren Gebilden zusammen. Während sie zweckfrei allein für sich stehen, baut und restauriert sie mit Möbeln und Leuchten auch Gebrauchsobjekte.

 

Bereits seit der Jugend interessiert sie sich für Fotografie, der sie sich seit 2002 verstärkt widmet. Ausgewählte Fotoarbeiten aus dieser gesamten Zeitspanne bilden den Hauptteil ihrer Ausstellung in der Sezession. Die nach analogen Anfängen digital erfassten Motive aus dem Alltag sind bestimmt von Spuren, Struk-turen, von Zeichen und Symbolen.  Auf Aquarellpapier gedruckt, entziehen sich die Fotografien dem typischen Hochglanzmainstream; auf Faserplatten ka-

schiert, deren Ränder mit Gouache gefasst sind, erhalten die Arbeiten eine analog-handwerkliche Komponente zurück. Somit sowie durch zusätzliche Überma-lungen entstehen aus Serien eines Motivs lauter Unikate.

 

Auffällig ist die konsequente Abwesenheit der menschlichen Existenz in den Arbeiten. Das wird umso deutlicher dort, wo Zeugnisse seiner Anwesenheit nahezu übermächtig ins Bild gerückt sind. So wird eine Schwarz-Weiß-Aufnahme von allbekannten Zeichen dominiert, die sich - im Schattenriss ihrer Zweckbestimmun-

gen beraubt - nunmehr wie sinnlose, störende, ja verstörende Fremdkörper vor einer weitläufigen Landschaftskulisse in einer überzogenen Wichtigkeit behaup-

ten. Mit aggressiver Schärfe schneiden sie in einen Bewusstseinshorizont einer geradezu lyrischen Landschaftsschilderung - und künden niemandem nichts. Der fotografische Blick fällt auf ähnliche Symbolformeln in "Zeichen" betitelte Arbeiten, wobei der ausschließlich und eng gefasste Fokus jegliche potenzielle Aufklä-

rung ausschließt. Auch in diesen Werken geht es nicht um die Vermittlung inhaltlicher Symbol-Konnotationen. Hier erkundet der "Seitenblick" anschauliche Qualitäten - die verwitterten Oberflächen, abplatzende Farbschichten oder durchscheinende Strukturen.

 

Vornehmlich geht es um zweidimensionale Symbole: von flachen Schildern, über dünne Aufkleber bis zu entmaterialisierten Erscheinungen - als Schatten ei-

nerseits wie nur mehr als Erinnerungsspur einer vormaligen Existenz andererseits. So etwas im Fall von "Zeichen", wo deutlich sichtbare Nagellöcher ihr Entste-

hen zwar erklären, doch zugleich auch die Unlösbarkeit jeglicher Deutungsversuche offenbaren. Mit besonderem "Augenblick" eingefangen, schildert Petra Steinke mit alltäglichen Versatzstücken ein weites, "abstraktes" Themenspektrum von Begegnungen und Gegenüberstellungen; stets mit Irritationen, die unter-schiedlichste Fragen aufwerfen. Vom 4. bis zum 30. September besteht Gelegenheit, die Seitenblicke - Augenblicke mit eigenen Augen zu erkunden und dabei Lösungen oder auch weitere Fragen zu entdecken.


Seitenblicke - Augenblicke

Einzelausstellung in der Sezession Nordwest e. V. , Wilhelmshaven, vom 04.- 30. September 2014

Text und Vortrag: Renate Ai

 

Die Künstlerin des heutigen Abends, Petra Steinke, wurde in Stade geboren und wuchs dort auf. Nach dem Abitur machte sie zunächst eine Ausbildung zur Bü-

rokauffrau, das blieb auch ihr Brotberuf. Danach folgten 3 Semester Architekturstudium an der TU Berlin. Für sie jedoch unbefriedigend. Nach Abbruch des Stu-

diums kehrte sie nach Stade zurück, wo sie bis heute lebt und arbeitet.

 

Petra Steinke ist seit vielen Jahren mit großem Engagement ehrenamtlich im Kunstverein Stade tätig.

 

Im Gymnasium hatte sie glücklicherweise eine Kunstlehrerin, die ihre Begabung bemerkte. Als gute Pädagogin führte sie ihre Schüler an die Kunst heran, als wä-

re sie ein Abenteuerroman. Dieser Roman packte sie und ließ sie nicht mehr los. Wie Petra Steinke selber sagt, stand ihre introvertierte Persönlichkeit der Aufnah-

me eines Kunststudiums entgegen. Die Kunst blieb aber ein Fixpunkt in ihrem Leben. Sie suchte und fand ihr Refugium in der Kreativität.

 

Der Schwerpunkt dieser Ausstellung liegt auf den fotografischen Arbeiten.

Die Fotografie hat als künstlerisches Ausdrucksmittel eine sehr lange Tradition. Berühmte Vorgänger, wie zum Beispiel Alfred Stieglitz und Henri Cartier- Bresson, haben es erreicht, der Fotografie den gleichen Status zu sichern, wie den anderen bildenden Künsten.

 

Bresson, der ursprünglich Malerei studiert hatte, sagte: Die Fotografie ist der Rhythmus von Flächen, Linien und Tonwerten. Wir müssen uns ständig um den Bildaufbau Gedanken machen, aber wenn wir abdrücken, ist es nur Intuition. Um den goldenen Schnitt anzuwenden, muss man sich auf den Kompass im Auge verlassen können. Fotografieren heißt, Kopf, Auge und Herz auf eine Schusslinie zu bringen.

 

Petra Steinke hat, wie sie sagt, keine Vorbilder, aber all das trifft auch auf sie zu. Sie hat sich ebenfalls vor der Fotografie intensiv mit Malerei befasst. Für sie ist die Kamera ein Mittel, Bilder einzufangen, die sie nicht malt, aber vielleicht so gemalt hätte.

Die Kamera immer dabei, findet Steinke ihre Motive im Alltag, oder auf Spaziergängen, selten ist etwas arrangiert. Als roter Faden zieht sich eine Klarheit und Einfachheit der Komposition durch viele Aufnahmen. Es dominiert bei etlichen Arbeiten das Prinzip des goldenen Schnittes.

Die Arbeiten druckt sie auf Aquarellpapier, dessen matte, leicht raue Oberfläche ein gewisses Vibrieren der Farben und eine Tiefe erzeugt, die Hochglanz nicht vermissen lässt. Sie bedient sich auch der digitalen Möglichkeiten, behält sich aber vor, die Drucke anschließend mit Farbstiften zu bearbeiten. Sie erhalten da-

durch den Charakter eines Unikates.

Ihre Bildtitel haben oft viel Witz, sind aber lediglich ein Angebot. Jeder Betrachter soll und darf seinen eigenen Zugang finden.

 

Petra Steinke geht mit diesem sehr besonderen Blick durch die Welt. Sie fühlt sich dann oft als Schatzsucherin, die glücklich über jeden Fund ist. Hat sie ihre Ka-

mera einmal nicht dabei, fallen ihr unweigerlich ständig Motive ins Auge, die sie versäumt hat.

 

Die Fotos sind teilweise Momentaufnahmen. Der fotografierte Gegenstand wird sich weiter verändern und so nicht mehr sichtbar sein. Das gilt zum Beispiel für den anrührenden “Kleinen Alptraum”, der uns mit weit aufgerissenen Augen und sich sträubenden Haaren anschaut. In der Realität handelt es sich um die Plane eines PKW-Anhängers mit einem Metallteil und Schmutzspuren. Die Künstlerin hat das Foto auf den Kopf gestellt. Auch “ Die andere Seite des Stoppschildes” gibt es so nicht mehr, das Schild wurde inzwischen ausgewechselt. Das wunderbare “Abstraktum” ist eine Plakatfläche am Stader Hafen, genauso vorgefunden und fotografiert mit Strukturen von abgerissenem Gewebeband und Papierresten.Die Luftschiffe” , anmutend wie eine Grafik, zeigen eine Radladerschaufel mit ihren Kratzspuren. So etwas muss man erst einmal entdecken und dann so aufs Foto bannen.

 

Neben diesen Arbeiten gibt es eine Serie von sehr klaren, grafischen Arbeiten. Der goldene Schnitt ist zum Beispiel bei den “Drei Magiern am Bannkreis” gut zu erkennen. Auch der “Wehrhafte Wächter” zeigt die Reduziertheit vieler Arbeiten, deren Aussage dadurch umso stärker wird.  Menschen finden sich kaum auf den Fotos von Petra Steinke. Eine Ausnahme zeigen die Spiegelungen, eine Serie von 4 Fotos.

 

Ganz anders das melancholisch-romantische Foto “Sonntag, nachmittags, mit Veilchen”, das allein schon durch seinen Titel im Kopf des Betrachters eine Ge-

schichte ablaufen lässt.

 

Die Übergänge vom Foto zur Malerei, die Sie im kleinen Raum sehen, sind bei Petra Steinke fließend. Sie war lange Jahre Schülerin der auch international be-

kannten Malerin Minke Havemann.

 

Ihre Bilder sind durchweg Mischtechniken. Sie verwendet unter anderem Gouache, Ei-Tempera, Dispersionsfarben , verschiedene Papiere, Farbstifte. So entste-

hen zarte Farbräume, zumeist informellen Charakters. Selten einmal ist konkret eine Figur, wie bei der Arbeit “Thier”, zu erkennen. In ihrem Bild “Der Zug” schei-

nen die Gelbtöne geradezu zu explodieren, lediglich im unteren Bereich lässt sich die dunkle Linie als Zug deuten.

 

Petra Steinke beschränkt sich nicht nur auf die Fotografie und die Malerei. Sie sucht und findet für jede Idee eine stimmige Technik und Art der Umsetzung.

Ein Besuch in ihrer Wohnung zeugt von ihrer beharrlichen Objektsuche. Diese Fundobjekte sind für sie kein Abfall, sondern sie haben gelebt.

Fundstücke werden gehortet, umgedeutet oder mit Witz gestaltet zu Skulpturen, Möbeln oder Leuchtkörpern. Ein schönes Beispiel sehen Sie hier: Ein Objekt aus keilförmigem Holz und Schürhaken.

 

All das macht die Vielfalt der Künstlerin Petra Steinke aus. Liebe Kunstfreunde, lassen Sie sich bitte auf diese Vielfalt ein.

Petra Steinke wünsche ich noch viele weitere Kapitel in ihrem persönlichen Abenteuerroman Kunst.


Einführung zur Einzelausstellung in der MalAkademie Hagenah, 02.-30.11.2003

Text und Vortrag: Minke Havemann

 

Petra Steinke wurde gestern vor 39 Jahren in Stade geboren. Sie wuchs in Stade auf, machte ihr Abitur, dann eine Ausbildung zur Bürokauffrau - alles in und um Stade. Danach 1 1/2 Jahre Architekturstudium an der TU Berlin. Abbruch dieses Studiums - Rückkehr nach Stade. Seit 1989 arbeitet sie als Bürokauffrau in einer Harsefelder Firma. Sie wohnt mit Ihrer Lebensgefährtin, wo wohl, in Stade.

 

Für mich eine fast unglaubliche Biographie, wenn da nicht dieser künstlerisch arbeitende, denkende Mensch wäre, mit diesem gewissen künstlerischen Blick.

In diesem biographischen Zusammenhang denke ich an den großen Künstler Giorgio Morandi, der Zeit seines Lebens in Bologna lebte und arbeitete. Der in einem kleinem Atelier im seinem Elternhaus (betreut von seiner Schwester) in Bologna, diese umglaublichen Stilleben schuf, die in sämtlichen großen Museen auf der Welt zu finden sind und in ihrer s. g. Schlichtheit den Besucher, die Besucherin sofort in ihren Bann ziehen und nicht mehr loslassen.

 

Petra Steinke bezeichnet sich selber als Einzelgängerin, die als Kind die Einsamkeit suchte, sich lieber mit basteln, werkeln und malen beschäftigte. Sie suchte und fand ihr Refugium in der Kreativität. Da von Haus aus phlegmatisch (Originalton Petra), baute sie ihre Kreativität nicht konsequent aus. Ein Kunststudium wäre die Konsequenz gewesen.

 

Trotzdem, der gewisse Blick passiert immer wieder automatisch. Seit ca. 10 Jahren setzt sie diesen gewissen Blick in die Tat um. Sie kann nicht anders. Ihre Arbeiten zeugen von dieser Auseinandersetzung. Linien - Farben - Flächen - stehen im Verhältnis zueinander. Sie bilden eine Einheit, die sie immer wieder sucht.

Mit ihren Fundobjekten kreiert sie diese Einheit - ergänzt sie mit Linien - Farben. Fundobjekte sind für sie kein Abfall - für sie haben sie gelebt. Sie umgibt sich mit diesen Objekten - ein Besuch in ihrer Wiohnung inkl. Dachboden zeugt von ihrer beharrlichen Objektsuche. Fundstücke werden dort gehortet, evtl. zu Möbeln, zu Leuchtkörpern umgestaltet. Immer mit Witz, funktionsfähig oder auch "nur" zum Ansehen. Treibholz ist nicht nur das, ihr gewisser Blick sieht sie als Objekte, die zu einer neuen Einheit führen.

 

Da laut Petra Stenkeihre Beziehung zu ihren Mitmenschen immer schwierig war und ist - findet man keine Menschenbilder. Ausnahme sind die fotografischen Arbeiten, wo sie einen zaghaften, aber überaus interessanten Ansatz, wagte. Gemeint sind die 3 Arbeiten mit Händen und Torso - hinter einem Tuch aufgenommen - im PC vergrößert - bearbeitet und auf Aquarellpapier gedruckt. Diese 3 Arbeiten waren bereits Bestandteil der Ausstellung - Menschen - in der Rotunde der Stadtwerke Stade in diesem Jahr.

 

In dieser Ausstellung finden Sie 39 Arbeiten. Teils vor Jahren angefangende Bilder, denen sie vor kurzem erst den letzten Schliff gegeben hat. Zum größtern Teil aber Arbeiten der letzten 4 Jahre, z. B. die Objekte "Fugenlicht" und "Gras zwischen den Fugen" - Bestandteile der Ausstellung "Kunst der Fuge" hier im Atelier. Die hängenden Stühle, die Wartenden, wie Petra sie nennt sind die ältesten Arbeiten - sie entstanden Anfang der 90iger Jahre.

 

Dass Petra Steinke offen für jede Technik ist, sehen sie in dieser Ausstellung. Ihre Bilder sind durchweg Mischtechniken - sie arbeitet mit Farbpigmenten - Farbstiften - Papierfitzeln - Holzfragmenten - Blech und, und, und.

 

Ich wünsche dieser Aussetllung ein interessiertes Publikum, das sich auf die Vielfältigkeit der ausgestellten Arbeiten einlassen kann.

Dir Petra wünsche ich weiterhin das gewisse Auge für zukünftige Arbeiten!